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Em.Univ.-Prof.Dr.Mag. Leander Petzoldt

Dämonlogisches Lexikon / Encyclopedia of Demonology

   

Em.Univ.-Prof.Dr.Mag. Leander Petzoldt
Leopold-Franzens Universität Innsbruck/Univerity of Innsbruck, Austria

Institut für Geschichte und Ethnologie

Innrain 52

6020 Innsbruck

Dämonologisches Lexikon

Projektbeschreibung

1. Projektziele:

Ein deutschsprachiges umfassendes Nachschlagewerk über dämonische Gestalten des Volksglaubens im mitteleuropäischen Raum fehlte bisher. Das in etwa vergleichbare „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ (HdA) gibt den Forschungsstand bis 1940 wieder.

In einzelnen europäischen Ländern existieren jedoch mittlerweile eine Reihe einschlägiger Werke, die sich freilich mehr mit mythologischen Problemen und Gestalten beschäftigen als mit den hier angesprochenen Dämonen und Elementargeistern.

Das Ziel des Projekts soll die Erstellung eines Lexikons sein, das dämonische Wesenheiten gemäß der fast eintausend Stichworte umfassenden Liste der Lemmata erklären und interpretieren soll.

Das geplante Lexikon soll Auskunft geben über die Glaubenskontinuität, Häufigkeit und Verbreitung bestimmter dämonischer Gestalten und ihr Erscheinungsbild. Dabei wird auf Quellen verschiedenster Art, antike medizinisch-astrologische Werke, einschlägige mittelalterliche Literatur und die Schriften der Naturphilosophen des 15. und 16. Jahrhunderts bis hin zur okkultistischen Literatur der Neuzeit, zurückgegriffen. Daneben werden auch volkskundlich/ethnologische Aufzeichnungen, die die orale und literale Tradition Europas und der europäisch beeinflussten Kulturen berücksichtigen sowie Materialien der großen ethnologischen Sammelaktionen des 19. und 20 Jahrhunderts zu einzelnen Themen ausgewertet.

Durch die Einbeziehung und Auswertung der frühneuzeitlichen humanistischen Literatur sowie der oralen populären Erzählüberlieferung der letzten zweihundert Jahre wird hier Neuland betreten, da solche Quellen bisher nur in Einzelfällen ausgewertet wurden.

Das Erscheinungsbild der Dämonen soll von ihrem ersten Beleg bis in die jüngste Vergangenheit erfasst werden. Neben den frühesten Erwähnungen sollen auch die Etymologien der Bezeichnungen – soweit möglich – nachgewiesen werden. Weiters ist die geographische und inhaltliche Dynamik und wesenhafte Ambivalenz dämonischer Gestalten zu beachten. Soweit nachweisbar, soll historischen Verbreitungsgebieten und Bedeutungen in Sprichwörtern, Redensarten, Fluchformeln, Orts- und Flurnamen nachgegangen werden. Auch die Phänomenologie, das heißt das ikonographische Erscheinungsbild, bietet eine weitere Quelle für das Verständnis dieser Wesen und soll in ihren Grundlinien vorgestellt werden.

Die Analyse der Vermarktung und Instrumentalisierung dämonischer Figuren in Werken der Hochliteratur, in Filmen, Fernsehserien und Comics soll das Bild der einzelnen Dämonen abrunden. Ziel ist ein ein- bis zweibändiges enzyklopädisches Nachschlagewerk, das sich speziell mit dämonischen und dämonisierten Gestalten des Volksglaubens und ihrer Rezeption und Wirkungsgeschichte bis in die Gegenwart hinein befasst.

Das angestrebte Lexikon wird dem Benutzer ein klares Bild der kultur- und religionshistorischen, sowie psychologischen Hintergründe dämonischer Wesenheiten, ihrer geographischen Verbreitung und etymologischen Bedeutung vermitteln.

Nach über zehnjährigen Vorarbeiten ist ein Korpus von tausenden Exzerpten, Kopien und Notizen und z. T. zeitgenössischen Illustrationen aus der in- und ausländischen Fachliteratur entstanden, das als Grundlage für die Zusammenstellung der Lemmata diente. Vor allem wurden Quellenwerke herangezogen und ausgewertet, eine Arbeit die noch immer nicht beendet werden konnte, da ältere Werke nur in den entsprechenden Bibliotheken (Wien, Budapest, Berlin, München, Venedig, Wolfenbüttel u. a.) zu finden sind, andererseits der Bezug über die Fernleihe überaus zeitraubend ist. Dabei wurde diese Liste mehrmals überprüft und bereinigt.

Das vorliegende Projekt eines dämonologischen Lexikons soll der wechselhaften Natur und dem ambivalenten Wesen dämonistischer Vorstellungen wie der Namens- und Wortsemantik Rechnung tragen. Nicht die Einordnung in ein System, sondern die Sammlung frühester und späterer Quellen zu den einzelnen dämonischen Wesenheiten, deren Diskussion und die nötige Beifügung von Querverweisen soll die Aufgabe dieses Werkes sein.

Um sich ein klares Bild über die kultur- und religionshistorische, psychologische, geographische und etymologische Herkunft und Bedeutung der Dämonengestalten zu machen, bedarf es einer kompilatorischen Synthese, hier in Form eines dämonologischen Lexikons vorgeschlagen.

Dabei ist der Begriff des „Dämonischen“ weit gefasst. Gestalten der antiken Überlieferung werden neben solchen stehen, die aus mittelalterlicher, neuzeitlicher und moderner oraler und literarischer Tradition stammen.

Naturdämonen finden sich hier neben dämonisierten historischen Persönlichkeiten, Göttern und Totengeistern. Für die Aufnahme in das Lexikon spielt weniger ihre geographische Herkunft, als ihr Auftreten im europäischen Kulturraum eine Rolle.

Was die Rezeption dämonischer Gestalten in der Literatur betrifft, so sollen hier punktuell auch Wesenheiten aus der außereuropäischen Folklore und Literatur aufgenommen werden, soweit sie von der europäischen Literatur rezipiert wurden. Bis ins 18. Jahrhundert für unbezweifelbare Realität gehalten, umfasst dieser Dämonenbegriff zunächst auch die im vorislamischen Iran entstandenen Dämonenvorstellungen und die Natur- und Elementargeister des Volksglaubens. Die Genese der Vorstellung von Natur- und Elementargeistern kann als Personifikation einzelner Naturerscheinungen und Konkretisierung meteorologischer Vorgänge ebenso wie psychischer Ängste gedeutet werden. Zwar nicht der Etymologie des Dämonenbegriffs folgend, jedoch psychologisch stringent, stehen die Dämonenvorstellungen seit frühester Zeit mit der populären Tradition in Verbindung. Dämonen sind Glaubensgestalten und Erzählgestalten zugleich, Phänomene des Volksglaubens, die sich in der Volkserzählung konkretisieren.

Es wird zudem versucht, Auskunft über die geographische Verbreitung der jeweils beschriebenen dämonologischen Vorstellungen zu vermitteln, also die Frage zu klären, ob sich um lokale, regionale oder ubiquitär verbreitete Vorstellungen handelt. Soweit möglich, wird auch eine präzise Datierung versucht.

Was die bereits angesprochene „Reichweite“ des „Dämonologischen Lexikons“ betrifft, so steht der deutschsprachige und darüber hinaus der mitteleuropäische Raum in Zentrum der Untersuchung. Es sollen jedoch fallweise auch dämonische Gestalten der keltischen, skandinavischen, romanischen, mediterranen, ost- und südosteuropäischen sowie slawischen Kultur berücksichtig werden.

Von wesentliche Bedeutung wird auch die Auswertung des humanistischen Schrifttums und frühneuzeitlicher Autoren sein, soweit sie sich mit magiologischen und dämonologischen Fragestellungen befassen. Das gleiche gilt für die kabbalistische Literatur, die besonders im Amulett- und Zauberwesen ihren Niederschlag findet. Auf der anderen Seite soll auch die Exempelliteratur mit ihren zahlreichen Belegen und Hinweisen auf populäre Glaubensvorstellungen und Glaubensgestalten exemplarisch ausgewertet werden.

Bei der Erstellung des „Dämonologischen Lexikons“ muss der phänomenologischen und typologischen Ambivalenz dieser Wesen Rechnung getragen werden. Die einzelnen Gestalten sollen anhand ihrer frühesten Erwähnungen und Beschreibungen in einen geistergeschichtlichen Kontext eingeordnet und kulturhistorisch, etymologisch und phänomenologisch gedeutet werden. Wo nicht eindeutig fassbar, ist die bisher geführte wissenschaftliche Diskussion darzulegen. Durch Auswertung religionsgeschichtlicher, magischer und medizinhistorischer Werke sowie ethnologischer Sammlungen soll ein genaueres Bild über Glaubensintensität und -kontinuität, Frequenz, Verbreitung und inhaltliche Dynamik der einzelnen Wesen gewonnen werden. Auch das ikonographische Erscheinungsbild soll, soweit fassbar, anhand von Beispielen vorgestellt werden.

Das Lexikon wird eine umfangreiche Bibliographie enthalten sowie ein „Verweisregister“, in dem alle Bezeichnungen bzw. Namen mit dem Verweis auf den Hauptartikel aufgeführt sind.

Der Projektleiter sowie ein/e Projektmitarbeiter/in werden die Texte zu den einzelnen Lemmata verfassen. Als Quellen werden neben frühen medizinisch-physiologischen Traktaten, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Dämonologien vor allem volkskundliche Sammlungen von Zauber- und Segensprüchen sowie die zahlreichen Dialektsammlungen und Idiotika dienen. Dazu kommen Fachpublikationen aus den Bereichen der kulturhistorischen, religionswissenschaftlichen, ethnologischen und literaturhistorischen Forschung.

Die Auswertung von Quellen und Forschungsarbeiten über den mitteleuropäischen Raum hinaus steht letztlich unter der Prämisse, die historischen, sozialen, psychologischen, mentalitätsgeschichtlichen und religionswissenschaftlichen Hintergründe aufzuzeigen.

Nach der unveränderten Neuauflage des erwähnten „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ und der dadurch bedingten weiten Verbreitung, vor allem in nichtwissenschaftlichen Kreisen (Journalismus, Medien, Film, Literatur u. a.) und besonders durch die damit verbundene Übernahme überholter und geradezu falscher Interpretationen erscheint es notwendig Klarheit zu schaffen, und auf der Basis der neueren Forschung deren Ergebnisse einem breiten Publikum zu vermitteln.

2. Problemstellung:

Der Umgang mit dem kulturellen Erbe wird in einer postmodernen Welt und durch die zunehmende Geschwindigkeit der Arbeitsweisen eines gegenwärtigen Kulturjournalismus immer beliebiger. Fragment und Kollage beherrschen das Bild einer Zeit, in der die Vermischung traditioneller und neuer Kulturformen zum Kult erhoben wird. Mythische und dämonische Wesen nehmen darin eine nicht unwesentliche Rolle ein. Ein Blick in die audiovisuellen Medien zeigt, in welchem Maße mythische Elemente unter scheinbar rationalen Begründungen den Allttag des Publikums beherrschen, das kaum noch in der Lage ist zu differenzieren und sich ein eigenes Urteil zu bilden.

Viele unsere alltäglichen Vorstellungen resultieren aus einer latent dämonistischen Ätiologie und müssen so als Relikte eines ursprünglich mehr oder weniger kohärenten Systems verstanden werden. Es handelt sich also um universelle Vorstellungen, die nicht auf prälogisches Denken zurückzuführen sind, sondern, wie Claude Lévy-Strauss bemerkt, ihre eigene zweckfreie Logik besitzen. Es ist das Verdienst von Claude Lévi-Strauss, die Sorgfalt, mit der Eingeborene ihre Umwelt beobachten und deren Erscheinungen systematisierten und klassifizierten, in ihrer zweckfreien Logik dargestellt und interpretiert zu haben. Damit beschreibt er ein in sich „logisches“ System, das in einer formalen Analogie zu unserer Wissenschaft steht. Unübertrefflich hatte dies schon Balzac formuliert, und nicht ohne Grund stellt Lévy-Strauss dessen Ausspruch seinem Buch voran: „Niemand ist in seinen Berechnungen so genau wie die Wilden, die Bauern und die Provinzler; wenn sie vom Gedanken zur Wirklichkeit kommen, ist daher alles schon fertig“.

Durch den kulturellen Austausch über Jahrtausende hin sind manche dämonistischen Vorstellungen ebenso wie die damit verbundenen magischen Rituale zu sinnentleerten Gesten säkularisiert worden, und es kommt zu einer ahistorischen Vermischung der Phänomene. Daher treffen wir ständig auf Konglomerate von Quellenmaterial unterschiedlicher Provenienz und einen pagan-christlichen Synkretismus.

Die Grundbedeutung des Wortes „Daimon“ (griech. daiesthai) weist auf den Vorgang des Teilens, Zuteilens hin, und meint damit das Schicksal, das bei der Geburt jedem Wesen zugeteilt wird. Der Glaube an Dämonen trägt zum Verständnis dieser Welt bei, er erklärt die Welt und macht menschliche Erfahrungen verstehbar. In diesem Sinne bezeichnet etwa Sigmund Freud die „Erfindung“ der Geister und Dämonen als die erste theoretische Leistung des Menschen.

Der Glaube an Dämonen und Elementargeister ist bereits in der Antike, aber auch noch im 16., 17. und 18. Jahrhundert mindestens ebenso durch die zeitgenössische gelehrte Literatur verbreitet worden wie durch die Volkserzählung, d. h. die Erlebnisberichte von Betroffenen. Die Volksglaubensforschung geht von der subjektiven Glaubwürdigkeit solcher Berichte aus. Populäre Glaubensvorstellungen und die Volkserzählung sind damit neben den naturwissenschaftlich-philosophischen Schriften von der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert die wichtigste Quelle für die Vorstellungen von Dämonen und Elementargeistern.

Freilich ergibt sich daraus noch nicht ein präzises Bild von Gestalt und Wesen der Dämonen, denn diese Quellen sagen wenig über Glaubenskontinuität, Frequenz und Verbreitung bestimmter Dämonengestalten und ihres Phänotyps aus. Hier ist es notwendig, auf historische Quellen verschiedener Art, von den ägyptischen Zauberpapyri und antiken medizinisch- astrologischen Werken und ihrer Rezeption in der Renaissance, über die einschlägige mittelalterliche Literatur und die Spekulationen der Naturphilosophen des 15. und 16. Jahrhunderts bis hin zur populären okkultistischen Literatur der Neuzeit, zurück zu greifen.

Der Mensch der Antike und des frühen Mittelalters fühlte sich als „Partizipant eines mythischen Kosmos“, der von Göttern, Geistern und Dämonen bevölkert war und dieses Seinsgefühl, das durch die ständige Auseinandersetzung mit den Krankheiten, Hungersnöte, Naturkatastrophen u. a. verursachenden Dämonen bestimmt war, prägte das Bewusstsein dieser Menschen. Dieses Bewusstsein war vorwiegend magisch-instrumental bestimmt. Dabei ist einerseits zu unterscheiden zwischen den Menschen, deren privilegierter Zugang zur Schrift ihnen einen herausgehobenen Status zubilligte. Sie versuchten sich Erkenntnisse über die Struktur dieser Welt zu verschaffen und diese in ein System zu bringen, wie etwa die hellenistischen Naturphilosophen und ihre geistigen Nachfolger Pico della Mirandola, Marsilius Ficinus oder Johannes Trithemius, Agrippa von Nettesheim und Paracelsus, um nur einige zu nennen. Die andere Gruppe sind diejenigen, die diese Erkenntnisse umsetzten und praktizierten, der Magos und der Goes und schließlich die breite Masse des Volkes auf dem Land und in den Städten die magische Praktiken, aber auch Drogen und Mittel aus der Natur als Instrumente der Lebensbewältigung nutzten. Besonders auffallend und bis in unsere Zeit aktuell ist die Auffassung von der dämonistischen Ätiologie von Krankheiten. Wir können zweifellos von einer anthropologischen Konstante eines archaischen magisch-dämonologischen Denkens sprechen. Diese archaischen Denkmodi, die bis in unser Jahrhundert nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt haben, sind daher nicht allein historisch retrospektiv zu betrachten, sondern erfordern einen zeitlich und räumlich ubiquitären Blick.

Aus der Notwendigkeit einer Systematisierung der übernatürlichen Wesenheiten ergibt sich für viele mittelalterliche und frühneuzeitliche Autoren ein weites Betätigungsfeld bei der Erstellung dämonologischer Systeme und Hierarchien. Sie waren geprägt von der arabisch-christlichen Dichotome des guten und bösen Dämons, wurzelten aber gleichzeitig in der griechischen Naturphilosophie und im Neuplatonismus. Wir können hier von einem Isomorphismus bzw. einer strukturellen Identität sprechen.

Freilich entsteht bereits das erste Problem mit der sprachlichen und inhaltlichen Differenzierung der Bezeichnungen: Dämonen, Geister, Gespenster, Unholden, Jenseitige, usw. Eine Abgrenzung erscheint hier fast unmöglich. Bereits in den ältesten (lat.) Quellen, in denen dämonische Wesen erwähnt werden, findet sich eine Vielzahl von Bezeichnungen: daemonium, faunus, pilosus, silvanus, lamia, larva, genius, spiritus, monstrum usw. Die interpretatio christiana ersetzt häufig die Bezeichnung daemonium durch ‚tiufel’, ‚dyabolus’ oder ‚malignus spiritus’.

Eines der schwierigsten Probleme in der gelehrten und populären Dämonologie ist daher die Namengebung dämonischer Wesen. Ein Dämon, dessen Namen man kennt, ist weniger furchterregend als das unbekannte, numinose, nicht-geheure Wesen, denn mit der Kenntnis des Namens verschafft man sich Macht über den Dämon.

Nur selten sind Namen so eindeutig wie die Bezeichnungen Riese oder Zwerg, aber schon hier wird es schwierig, wenn wir die „Menschenriesen“, wie etwa „Haymon“, von den „Naturriesen“ wie „Thyrsus“ unterscheiden, wobei die Etymologie Thyrsus ja letztlich auf anord. Thyrsa, finn. Tursas, ahd. Durisis, > Thyrse zurückgeht, was sozusagen die Gattungsbezeichnung ist. Im ags. „Beowulf“ wird „Grendel“ als „thyrs“ bezeichnet.

In den frühen antiken bzw. lateinischen Handschriften versuchen die deutschen Autoren autochthone Begriffe anhand des Lateinischen auszudrücken. Im so genannten „Corrector“, einem Ponetentiale des Burchard von Worms (10./11. Jh.), finden wir (nach dem Vorgang von Plinius und Petronius Arbiter) den ersten deutschen Beleg für die Vorstellung vom Werwolf. Es heißt dort (Cap. 139) „creditisti … ut in lupum transformari possit, quod vulgaris stultitia werwolf vocat“. Weiterhin bringt er Belege für „Wiedergänger“ (Revenants), dämonisierte Tote und Hexen, wobei er letztere im lateinischen Text als „holda“ bezeichnet, während die Lex Salica (um 500) und Regino von Prüm die lateinische Bezeichnung „striga“ bevorzugen. Bei Burchard vom Worms finden wir jedoch auch noch die antiken Faunen und Satyrn, die Larvae und Lamia. In einer Handschrift hat der Schreiber des besseren Verständnisses wegen über das Lemma „Larva“ die deutsche Bezeichnung „scrato“ geschrieben, damit drängt sich die Notwendigkeit auf, die Termini für dämonische Gestalten aus ihrem Kontext zu erklären und darüber hinaus ihre Stellung innerhalb eines mythologischen Systems zu beschreiben. Die Polysemie der Termini ist schon in der Antike überaus verwirrend; in der frühen Neuzeit, in der wir einen latenten Verfalls- und Kontaminationsprozess der Namengebung beobachten können, wird die Spezifik einzelner dämonischer Gestalten immer undeutlicher. Oft ist die Bezeichnungen dämonischer Wesenheiten von Ort zu Ort verschieden, obwohl es sich phänomenologisch und typologisch um die gleichen Gestalten handelt. Freilich hat eine solche Typologie, wie sie schon Trithemius und andere versucht haben, ihre Grenzen. Vor allem wandelt sich des Wesen vieler Dämonen über die Jahrhunderter hin: die Wandlungen des „Nichus“, von einem Flussgott über einer krokodilartige Bestie zur Nixe (ähnlich dem Bilwis) ist ein treffendes Beispiel.

Es gibt zudem Kollektivdämonen, wie Zwerge, zugleich aber auch Solitärgestalten wie Alberich (Oberon). Der Aufhocker (nddt. Huckup), ein „nomen agentis“ drückt seine Tätigkeit aus: ein dämonisches Wesen springt einem Wanderer auf den Rücken und bedrängt ihn bis zum Fieberwahn. Dieses Wesen aber kann als Alp, Totengeist, Hexe, Werwolf, Feuermann, Hehmann, usw. beschrieben werden. Trotzdem ist der Aufhocker zunächst prinzipiell ein Dämon sui generis.

Die in den Lexika des 15. und 16. Jahrhunderts überlieferten Termini aus dem Bereich der Magie und Divination haben eine deutlich narrative Funktion, wie C. Lecouteux schreibt, da sie als „Hilfsmittel zur Erlernung des Lateinischen oder zum Umgang mit ihm gedacht sind“. Sie „kodifizieren den Volksmund … und erheben einige wenige deutsche Wörter zu allumfassenden Begriffen“. Dasselbe gilt auch für die dämonischen Wesenheiten und die sich darauf beziehenden Volkserzählungen. Bevorzugt werden Drache, Basilisk, Greif, Salamander, Pelikan und Phönix, da sie nicht nur in den religiösen Schriften als Basis für homiletische Auslegungen dienen, sondern auch in der Unterhaltungsliteratur der Zeit beliebte Mirabilia verkörpern. Hinzu kommt ein überliefertes Grundwissen über Fabelwesen, das auf der Bibel, dem Physiologus und den Kommentaren zu Vergil und Ovid beruht. Auf diese Weise wird die Bezeichnung „Pygmäen“ zum Synonym für „Zwerge“, wie es noch bei Paracelsus der Fall ist. Sie bezeichnet in der gelehrten Literatur, gegen Ende des 15. Jh. (Dasypodius) keineswegs die „echten“ Pygmäen; dagegen kommt etwa im gleichen Zeitraum die Bezeichnung „erdmennly“ für Zwerge bzw. Erdgeister auf.

Da die Autoren der gelehrten Lexika vor allem bemüht waren, durch die Tradition geheiligte Begriffe (denen „auctoritas“ zukam) weiterzugeben, finden sich bei ihnen viele Inhalte populärer Glaubensvorstellungen, seien sie von anderen Lexikographen übernommen oder direkt aus dem Volksglauben geschöpft.

Prinzipiell ist zu sagen, dass der übergeordnete Begriff „Dämonen“ sehr vielschichtig und polyvalent ist und die Abgrenzung gegenüber Geistern, Gespenstern und ähnlichen Begriffen bzw. Wesenheiten fast unmöglich ist, da sie oft synonym gebraucht werden.

Dies gilt noch mehr für die Bezeichnung einzelner dämonischer Gestalten, deren Polysemie mehr als verwirrend ist. Denken wir zunächst an die sogenannten Natur- oder Elementargeister, Personifikationen einzelner Naturerscheinungen bzw. Konkretisierungen meteorologischer Vorgänge, deren Genese auf dem entwicklungsgeschichtlichen Konzept des Animismus, der Vorstellung einer von Geistern bzw. dämonischen Wesen beseelten Natur beruht. Es sind gewissermaßen hypostasierte Naturkräfte, die, in dem man sie benennen kann, etwas von ihrem Angstpotential verlieren und für den Menschen „begreifbar“ werden. Einen ähnlichen Vorgang können wir für die Neuzeit feststellen. Im Dialekt werden Dämonen häufig im Diminutiv angesprochen (Schrat: Schrättele), was darauf hinweist, dass sie nicht mehr unbedingt geglaubt werden.

3. Methodik:

Aufbau der Artikel

Um eine gewisse Einheitlichkeit der Lexikonartikel zu gewährleisten, werden sie nach einem immanenten Schema verfasst.

1. Nach dem Stichwort erfolgt die Angabe des grammatikalischen Geschlechts, denn dies ist schon im Althochdeutschen schwankend. So kann es heißen „daz“ oder „die zwerc“; „diu, daz“ oder „der mar“. Dies bedeutet, dass man sich bereits zu dieser Zeit kein klares Bild von diesen Gestalten machen konnte. Im Falle des Zwerges ist wohl das Neutrum ursprünglich, was bedeutet, dass ein unklares Etwas anthropomorphisiert wurde. Es folgen weiterhin die verschiedenen Namensformen, auch dialektale. Falls die Dämonenvorstellung über den deutschsprachigen Raum hinaus verbreitet ist, werden auch fremdsprachige Namensformen ausgeführt.

2. Es folgt die Erklärung (Etymologie) des Namens oder Begriffs und der Versuch, die Entstehung der Namensform, soweit diese zu eruieren ist, zu beschreiben.

3. Aus den gesammelten Informationen und Texten wird sodann versucht, eine Wesensbestimmung bzw. Charakteristik und Phänomenologie der angeführten Wesenheit zu erstellen. Hierbei wird es häufig notwendig sein, die Ambivalenz im Verhalten einzelner dämonischer Gestalten zu berücksichtigen. In der Regel sind Dämonen unsichtbar, sie können jedoch die (körperliche) Gestalt von natürlichen oder fabelhaften Tieren (zoomorph bzw. theriomorph) oder menschlicher Wesen (anthropomorph) und sogar Dinggestalt, d. h. von Gegenständen und Metallen annehmen.

4. Weiterhin wird versucht, jeweils die historische Entwicklung der genannten Gestalt nachzuvollziehen soweit sie sich durch Fakten, d. h. in diesem Falle literarische Belege, Erwähnungen, Beschreibungen, bildliche Darstellungen u. a. belegen lässt. Dabei ist es notwendig, den Realitätsgehalt der jeweiligen Quelle zu hinterfragen. Im Einzelfall wird es unumgänglich sein, verschiedene Deutungen anzuführen.

5. In einem weiteren Abschnitt soll das Verbreitungsgebiet der dämonischen Gestalt bzw. der damit verbundenen Glaubensvorstellungen umrissen werden. Hier sind die Karten zu einzelnen Gestalten in den verschiedenen volkskundlichen Atlanten (Österreich, Deutschland, Schweiz und Osteuropa) und entsprechende Monographien heranzuziehen.

6. Von besonderer Wichtigkeit ist die wissenschaftliche Interpretation jeder genannten Gestalt, verbunden mit ihrer kulturhistorischen Einordnung. Hier soll die Summe der Erkenntnisse aus dem jeweils vorliegenden Material unter dem Aspekt ihrer wissenschaftlichen Relevanz gezogen werden. Es werden ethnologische, psychologische und mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen sowie die Ergebnisse der Kulturraumforschung, soweit sie für diese Thematik relevant sind, einbezogen.

7. Zu jedem Artikel wird nicht nur die verwendete sondern auch weiterführende Literatur angegeben. Im Einzelfall soll auch auf prägnante Original-Texte verwiesen werden. Außerdem sollen ältere bildliche Darstellungen aus Manuskripten (Bestiarien, Prodigienliteratur, Volksbücher usw.), Inkunabeln, Cimelien die einzelnen Artikel illustrieren. Diese Illustrationen werden nach ihrem Quellenwert ausgewählt. Kartenausschnitte, Skizzen und Tabellen ergänzen den Informationswert der Artikel.

 

© Prof.Dr.Mag. Leander Petzoldt